Silke Felber
„E’ onesto ‚sporcare il proprio nido‘?“ [1]
Zur Wahrnehmung der Österreichkritik Jelineks in Italien
Man schrieb das Jahr 1985, als Horst Zankl Jelineks Burgtheater – Posse mit Gesang zur Uraufführung brachte, und zwar für die Bühnen der Stadt Bonn. Die dazugehörige Skandalisierung wiederum fand in Österreich statt: die Berichterstattung im Dunstkreis der Aufführung und die damit in Zusammenhang stehenden Diffamierungen von Seiten zahlreicher VertreterInnen aus Politik, Kunst und Medien begründeten Jelineks Ruf als „Nestbeschmutzerin“.[2] Diese Stigmatisierung ihrer Person, die bis heute eine reflektierte Rezeption ihres Werkes in Österreich erschwert, kann als Sanktion hinsichtlich eines doppelten Tabubruchs gewertet werden, den Jelinek begangen hat, indem sie an zwei vermeintlich unantastbaren Glaubenssätzen der österreichischen Nachkriegsidentität gerüttelt hat: an der Immunität der Schauspielerdynastie Wessely-Hörbiger im Speziellen sowie am Opfermythos hinsichtlich Österreichs Rolle im Nationalsozialismus ganz allgemein. Laut Anton Pelinka ersparen Tabus „[…] differenzierte Beobachtung und Analysen, sie machen bestimmte Auseinandersetzungen überflüssig. In diesem Sinn erfüllen Tabus eine wichtige politische Funktion.“[3] So gesehen verletzte Jelinek nicht nur ungeschriebene Regeln, sondern rührte an etwas, das Alexander und Margarete Mitscherlich bereits 1967 in Zusammenhang mit der unzulänglichen Aufarbeitung des Nationalsozialismus in der Adenauer-Ära als „Denkhemmung“[4] bezeichnet hatten.
Diplomatische Tabus in den italienisch-österreichischen Beziehungen
Um die tabubrechende Funktion von Jelineks Werk bzw. die Stigmatisierung ihrer Person hinlänglich untersuchen zu können, erscheint die Bezugnahme auf die internationale Rezeption ihrer Texte unumgänglich, verweisen Tabus doch stets auf die ihnen inhärente kontextuelle Dependenz. Nachdem gerade die italienisch-österreichischen Beziehungen jahrelang von starken Ressentiments geprägt waren, bietet es sich hinsichtlich Jelineks Österreichkritischer Inhalte an, den Blick gen Süden zu richten. Aussagen wie die des italienischen Staatsministers Leonida Bissolati, der Österreich 1916 in seiner Laudatio auf Cesare Battisti als „vielköpfiges Ungeheuer“[5] bezeichnete, aus dessen „tote[m] Körper […] alle Stämme lebend hervorgehen [müssten], die bisher auf schmerzliche Weise in eine künstliche Einheit zusammengedrängt“[6] gewesen wären, verweisen nicht nur auf irredentistische Tendenzen im Kontext des sich anbahnenden Ersten Weltkriegs. Das damit zum Ausdruck gebrachte Interesse an der Zerstörung Österreich-Ungarns basiert vielmehr auf einem tief verwurzelten Erbfeindschaftsgedanken, der das italienisch-österreichische Verhältnis lange Zeit geprägt hat. Die jahrelange Herrschaft der Habsburger über große Teile Italiens sowie das im starken Gegensatz zu den Bestrebungen um die Gründung eines italienischen Nationalstaats stehende habsburgische Vielvölkerstaatenprinzip nährten eine „inimicitia eterna“, die auch durch die zwischenzeitliche politisch-militärische Allianz des 1882 geschlossenen italienisch-österreichisch/ungarisch-deutschen Dreibunds nicht gänzlich aus den Köpfen der ItalienerInnen eliminiert werden konnte.
1918 veränderten sich die Verhältnisse signifikant: die österreichische Monarchie schmolz zur kleinen Republik zusammen und musste zudem Südtirol an Italien abtreten. Das kleine Österreich war nicht mehr länger „tabu“, sondern wurde als von den Habsburgern befreit erachtet und erhielt die Sympathien seiner südlichen NachbarInnen.[7] Sympathien für Österreich sollte bald auch Mussolini hegen, wie anhand der Lateranverträge 1928 sowie des italienisch-österreichischen Freundschaftsvertrags 1930 nachgezeichnet werden kann. Das Interesse schwand jedoch bald, der Duce näherte sich zunehmend Hitler an, was sich schlussendlich in der Bildung der „Achse Berlin-Rom“ manifestierte.[8] Bis dahin ein starker Verfechter der österreichischen Unabhängigkeit, drängte Mussolini nun auf den Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Hitler-Deutschland. Gab es zwar zwischen 1938 und 1945 keine diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Italien, so ist es laut Adam Wandruszka dennoch gerade zu jener Zeit aufgrund der vermehrten Kontakte zwischen ItalienerInnen und ÖsterreicherInnen (zum Teil in Verbindung mit dem Widerstandskampf) „zu einem weitgehenden Abbau der aus der Vergangenheit herrührenden Vorurteile“[9] gekommen.
Diese Abkehr vom Prinzip der Erbfeindschaft jedoch sollte einem anderen Phänomen weichen, das sich in einer tendenziellen unzulänglichen Differenzierung der ItalienerInnen zwischen ÖsterreicherInnen und Deutschen zeigte. Noch heute wird laut Joe Berghold die deutsche Invasion nach dem 8.9.1943 von einem Großteil der ItalienerInnen als „alptraumartige Überwältigung“[10] empfunden, was zur Folge hat, dass sich viele italienische Publikationen zum Faschismus vor allem auf die zwischen 1943 und 1945 von „Deutschen“ verübten Massaker konzentrieren. Damit einher gehe eine, wie Joe Berghold zudem behauptet, problematische Nichtbeachtung der österreichischen Beteiligung an den Kriegsverbrechen.[11]
Die mangelnde Differenzierung zwischen ÖsterreicherInnen und Deutschen, die sich während des Faschismus manifestierte, hat bis heute Nachwirkungen auf das Österreichbild in Italien. Der von Hitler bewirkte Anschluss Österreichs an Deutschland bzw. die völlige Gleichschaltung der beiden Staaten zugunsten der „deutschen“ Kultur lebt gegenwärtig in den Köpfen vieler ItalienerInnen weiter.[12]
Wurde und wird allgemein „in und nach dem II. Weltkrieg [...] nicht zwischen Österreich und dem nazistischen Deutschland“[13] unterschieden, so funktioniere diese Differenzierung auf kultureller Ebene eindeutig besser, bemerkt Alessandra Schininà. Vor allem dem Triestiner Literaturwissenschafter und Schriftsteller Claudio Magris bzw. seiner 1963 erschienenen Publikation zum Habsburgermythos[14] in der modernen österreichischen Literatur ist das wachsende Interesse Italiens für die österreichische Literatur und eine damit einhergehende intensive Auseinandersetzung mit der mitteleuropäischen Kultur zu verdanken.
Vernachlässigt, wenn auch nicht gänzlich abgelöst, wurde der Habsburgermythos bzw. der als Austrizismus im Italienischen Einzug erhaltende Begriff „Mitteleuropa“ erst in den späten 1980er Jahren, als anlässlich der Waldheim-Affäre eine politisch-kritische Distanz zur österreichischen Literatur aufgebaut wurde.[15] Einen wesentlichen Beitrag zu dieser neuen Sichtweise der österreichischen Kultur lieferte die von Roberto Cazzola und Gian Enrico Rusconi herausgegebene Anthologie Il ‚caso Austria‘[16], die sowohl Abhandlungen von LiteraturwissenschafterInnen wie Wendelin Schmidt-Dengler als auch von HistorikerInnen und Politwissenschafterlnnen wie Anton Pelinka versammelt. In Bezug auf die journalistische Rezeption bringt Franz Haas die Herausgabe dieser in Italien polarisierenden Publikation mit dem Einsetzen jenes Phänomens in Zusammenhang, das die tendenzielle Abwendung von der österreichischen Kultur zugunsten eines steigenden Interesses an der österreichischen Politik meint.[17] Tatsächlich setzte in Italien mit den Querelen um die NS-Vergangenheit Waldheims bzw. dessen Äußerungen dazu eine kritische Inspektion des nördlichen Nachbarlands ein. Hierbei fungierte freilich einmal mehr der Habsburgermythos als Analysemittel. So konstatierte Gianni Baget Bozzo 1988 anlässlich des Papstbesuchs in Österreich für die Tageszeitung La Repubblica:
Ich werde nicht sagen, dass Waldheim trotz seiner politisch-militärischen Vergangenheit gewählt worden ist, sondern vielmehr eben deshalb. Die Haltung Österreichs gegenüber dem Nationalsozialismus ist tatsächlich scheinheilig. Der Anschluss wurde von der Mehrheit des österreichischen Volks akzeptiert und war zudem schon 1919 von der Linken gefordert worden. Welchen Sinn hatte Österreich denn ohne das Habsburgerreich? Deshalb war die Idee des Anschlusses Österreichs an Deutschland keine nazistische Idee. Sie existierte bereits lange vor der Geburtsstunde des Nationalsozialismus. Sie entstand aus der Tatsache, dass Österreich, nachdem es seine imperiale Identität verloren hatte, ein deutsches Reich wurde wie zuvor. Die einzige Identität, über die Österreich vor der Herrschaft der Habsburger verfügte, war jene, Teil des römisch-germanischen Reichs zu sein.[18]
Österreichkritik oder transnationale Polemik?
Just in diesem Klima machten sich diverse norditalienische Verlage an die Herausgabe von neueren österreichischen SchriftstellerInnen wie Elfriede Jelinek. Die Autorin wurde erstmals vom Verlag Frassinelli präsentiert, der 1990 Lust (La voglia[19]) auf den Markt brachte. Ein Jahr später erschien bei Einaudi Die Klavierspielerin (La pianista[20]). Trotz der zeitnahen Polemik um Kurt Waldheim wurde jedoch der Österreich-kritische Aspekt bei Jelinek zunächst vernachlässigt, was mit zwei Tendenzen in Zusammenhang gebracht werden kann. Zum einen wurde Jelinek, wie Luigi Reitani anhand der Rezeptionsgeschichte von Lust (La Voglia) anschaulich nachzeichnet, als pornografische Autorin wahrgenommen und vermarktet.[21] Zum anderen wurde sie als deutsche Schriftstellerin verstanden. Angelika Moser bringt das damit in Zusammenhang, dass Jelinek „– wie die meisten österreichischen AutorInnen – bei einem deutschen Verlag publiziert“[22]. Begünstigend wirkte aber auch die Tatsache, dass 1991 neben der Klavierspielerin auch Wolken.Heim. Einzug in die italienischen Buchhandlungen hielt, ein Text, der am Buchrücken von Luigi Reitani als „Hymne auf den ,heiligen deutschen Boden‘“[23] beschrieben wird. Hatte die Repubblica in einer Besprechung des deutschen Originaltitels Wolken.Heim., der 1990 erschien, „die Deutschen“ bereits als Jelineks „connazionali“[24] bezeichnet, so trug die Kurzbeschreibung auf der Rückseite der italienischen Ausgabe, so treffend sie auch sein mag, wenig zu einer Revidierung dieses Irrtums bei. An dieser Stelle sei jedoch erwähnt, dass die Ausgabe ein Gespräch mit Jelinek enthält, in dem sie ganz unmissverständlich auf ihre österreichischen Wurzeln sowie auf die in Österreich zu beobachtenden Tendenzen hinsichtlich eines nach Deutschland schielenden Nationalismus’ hinweist:
[...] der deutsche Nationalismus ist ein relativ junges Phänomen, vielleicht ist er deshalb so aggressiv... Aber ich selbst lebe in einem Land, das über eine sehr zerbrechliche nationale Identität verfügt und wo Politiker ersten Ranges regieren, die sich nicht in einer österreichischen, sondern eben in einer deutschen Nation wähnen [die Anspielung ist auf den Parteivorsitzenden der FPÖ, Georg Heider [sic], gemünzt, Anm. L.R.]. Ich würde also sagen, dass das Problem des Nationalismus’ sich auch in Österreich ergibt, und dass ich vielleicht nicht dazu bewegt worden wäre, dieses Buch zu schreiben, wenn das Thema nicht auch in Österreich ein so heikles wäre.[25]
1991 publizierte Jelinek den Essay Infelix Austria[26], der bekanntlich eine Reaktion auf den außergewöhnlichen Wahlerfolg der FPÖ bei den Wiener Gemeinderatswahlen war, in der italienischen Tageszeitung La Repubblica, und zwar bevor er auf Deutsch zugänglich war.[27] Tatsächlich erschien dieser Aufsatz zu einer Zeit, in der die 1989 aus dem Zusammenschluss mehrerer norditalienischer Autonomiebewegungen resultierende Partei der Lega Nord begann, große Erfolge zu feiern. Bei den Wahlen 1990 verzeichnete die rechtspopulistische Partei Umberto Bossis, die 1994 ein Bündnis mit der postfaschistischen Alleanza Nazionale unter Gianfranco Fini und Silvio Berlusconis Forza Nazionale eingehen sollte, 19 % der Stimmen in der Lombardei. Dieses historische Resultat ließ sie nicht nur die kommunistische Partei PCI überholen, sondern machte sie zudem zur zweitstärksten Fraktion der Region. In Verbindung gebracht werden können diese Wahlergebnisse der Lega in erster Linie mit den unter dem Begriff „Tangentopoli“ Anfang der 1990er Jahre subsumierten Schmiergeldskandalen, worin Schlüsselfiguren der italienischen Politik involviert waren. Der darauf folgende Zusammenbruch des PCI sowie die Krise des „pentapartito“, welches die Politlandschaft Italiens seit Entstehung der Republik dominiert hatte, stärkte Bossi und seine separatistischen Bestrebungen. Vor den Hintergründen des Finanzskandals wetterte er gegen ein korruptes System, das vorsehen würde, den ehrlichen ArbeiterInnen und Unternehmenden des industriellen Nordens das Geld zu entwenden, um damit „Rom“ zu finanzieren und den „profitlosen Süden“ zu erhalten. Sein Ruf nach Abspaltung brachte ihm nicht nur die Sympathien vieler frustrierter NorditalienerInnen ein, die sich um die Errungenschaften des „boom economico“ der Nachkriegsjahre gebracht sahen, sondern auch jene der österreichischen Freiheitlichen Partei bzw. Jörg Haiders, zu dem Bossi ein enges (wenn auch nicht immer konfliktfreies) Verhältnis hatte. Mit der Erstpublikation des Essays Infelix Austria in einem italienischen Medium bot Jelinek somit implizit eine Möglichkeit an, ihre Österreichkritik als transnationale Polemik aufzufassen.
Peter Clar merkte an, dass mit dem Aufkommen des Rechtspopulismus’ in Italien ein steigendes Interesse an jenen Texten Jelineks beobachtet werden kann, die sich mit ebenjenem Phänomen beschäftigen.[28] Diese Aussage verweist auf eine Lesart, die mit einer scheinbar selbstverständlichen Integration der italienischen soziopolitischen Zustände in die Textinterpretation einhergeht, welche auch bei kritischen Stimmen zu finden ist. So lautete etwa Francesco Lamendolas süffisanter Kommentar hinsichtlich Jelineks Österreichkritik: „[…] wie ist sie nicht hässlich, heuchlerisch, stumpfsinnig, reaktionär und verdammenswert, die österreichische Gesellschaft (und, in weiterer Folge, die europäische und globale)?“[29]. Diese Tendenzen unterscheiden sich von jenen, die in Bezug auf Thomas Bernhards Rezeption in Italien ausgemacht werden können und die auf den Umstand verweisen, dass es bis dato nur partiell zu globalen, geschweige denn Italien-bezogenen Verortungen seiner (Österreich)kritik gekommen ist.[30]
Obwohl zu Beginn der 1990er Jahre „in den großen italienischen Tageszeitungen die Darstellungen österreichischer Politik so spärlich [waren], daß daraus selbst aufmerksamen Lesern ein Überblick kaum möglich“[31] schien, wurde die Hetze der FPÖ gegen Jelinek im Rahmen des Wahlkampfes von 1995 zur Kenntnis genommen. Die mit dem Text „Lieben Sie Scholten, Jelinek, Häupl, Peymann, Pasterk... oder Kunst und Kultur?“ polarisierende Plakatkampagne wurde in Italien zum Anlass genommen, Haiders Diffamierung Jelineks als „Nestbeschmutzerin“ zu thematisieren.[32] Bossi Fedrigotti stellte in diesem Zusammenhang zunächst Jelineks Kritik am eigenen Land nicht als österreichisches literarisches Phänomen, sondern als grundsätzlich typisch für deutschsprachige AutorInnen dar:
Die Schriftstellerin greift gewisse Themen auf, die Thomas Bernhard bereits mit Vorliebe behandelt hat […]. Themen, die, wenn man genauer hinsieht, viele deutschsprachige Autoren eint, und interessanter Weise vielleicht nur sie, denn bei keinem anderen nicht-deutschsprachigen Autor findet sich eine derartige Missgunst, eine derartig empörte Schmähung des eigenen Landes und der eigenen Landsleute.[33]
Als vergleichbare Beispiele führte sie Günter Grass, Friedrich Dürrenmatt und den Südtiroler Joseph Zoderer an. Ein Jahr später wiederum beeilte sich die Journalistin des Corriere della Sera, Heimatkritik als ein Charakteristikum dezidiert österreichischer KünstlerInnen zu beschreiben, indem sie die Wurzeln dafür bereits bei Mozart und Haydn vermutete, um in Folge dessen eine entsprechende Entwicklungslinie anhand von Kraus, Wittgenstein, Musil, Bernhard, Handke und schlussendlich Jelinek nachzuzeichnen.[34] In einem Interview, das sie 1998 anlässlich der Wiener Uraufführung des Sportstücks mit Elfriede Jelinek führte, schlug Bossi Fedrigotti schließlich vor, den dem Stück inhärenten Diskurs doch auch in Bezug auf Italien zu führen.[35] Jelinek antwortete darauf, nationalsportliche Strukturen in allen Ländern zu verabscheuen, abgesehen davon jedoch überzeugt zu sein, dass ein italienischer Vater, der mit seinem Kind zu einem Fußballspiel ginge, mit selbigem auch ins Theater gehen würde. Den darauffolgenden Einwand Bossi Fedrigottis ignorierte sie, indem sie Italien als Staat lobte, der es seinen SchriftstellerInnen und Intellektuellen erlauben würde, sich regelmäßig in Zeitungen zu Wort zu melden. Ein Land, das zudem tunesische, albanische und kurdische Flüchtlinge aufnehme, sei besser als so manch andere Nation.[36]
Erste szenische Realisierungen im Dunstkreis des politischen Rechtsrucks
Im Jahr 2000 stieg das mediale Interesse Italiens an Österreich rapide im Kontext der ÖVP-FPÖ-Koalitionsbildung und der damit einhergehenden EU-weiten Sanktionen. Eine Besonderheit stellte in diesem Zusammenhang die Beschreibung der österreichischen Zustände anhand von Zitaten Thomas Bernhards und Elfriede Jelineks dar, derer sich nicht nur das Feuilleton, sondern auch die außenpolitischen Seiten italienischer Tageszeitungen bedienten. So zog etwa der Corriere della Sera Elfriede Jelinek auf Seite zwei der Ausgabe des 20.2.2000 als Österreichspezialistin heran und titelte: Vorsicht vor der sympathischen Rechten[37].
Just im Dunstkreis der skandalumwitterten Regierungsbildung wurde die erste italienische Realisierung eines Theatertexts von Jelinek erarbeitet, bei der es sich um die Inszenierung des Haider-Monologs Das Lebewohl handelte. Gleichzeitig fand die Premiere selbst am Tag vor jenen italienischen Parlamentswahlen statt, aus denen Silvio Berlusconi als Sieger hervorgehen sollte, nämlich am 12.5.2001. Eine Parallele zwischen den von Jelinek kritisierten österreichischen Zuständen und jenen italienischen wurde also bereits auf der Ebene des Aufführungskontextes gezogen. Dezidiert drückte Werner Waas den intendierten Bezug in einer persönlichen Erinnerung an die Premiere aus, die im Teatro Rialto Occupato Sant’Ambrogio und somit inmitten des jüdischen Ghettos Roms, stattgefand:
In der Stille, die sich zwischen dem Ende der Wahlkampagne und dem Trubel der Wahlen auftut, erklingen die Worte Jelineks klar und deutlich, inmitten jener Straßen und Gassen, die fast 60 Jahre vorher die Razzien der Nazis und die Schande der Rassengesetze erlebt haben. Alles ist klar und die Analogien zur italienischen Gegenwart sind so offensichtlich, dass es sogar zu befreienden Lachern kommt. Das für die da drin, draußen läuft eine ganz andere Geschichte ab. Am Tag darauf wird Silvio Berlusconi wiedergewählt mit einer erdrückenden Mehrheit.[38]
In der Inszenierung wurden die gezogenen Parallelen in erster Linie durch einen Bildschirm deutlich, auf dem Waas Silvio Berlusconi einblendete, der durch stumme Lippenbewegungen Haiders Monolog begleitete. Auch medial sei diese Bezugnahme der Inszenierung auf die italienische Situation rezipiert worden, behauptet Christian Schenkermayr: „Diese Bezüge zur Parlamentswahl und zu Berlusconi fanden auch in der (vielfach erst später im Zusammenhang mit den Wiederaufnahmen der Produktion einsetzenden) medialen Berichterstattung Beachtung.“[39] Das trifft auf die Rezension Maria Grazia Gregoris zu, auf die er sich exemplarisch bezieht. Gregori hob nicht nur die Allgemeingültigkeit des Stücks hervor, sondern kommentierte auch explizit die Inszenierung: „[…] ein Fernsehschirm, der während der gesamten Spieldauer des Stücks Bilder von Berlusconi-Reden zeigt […]“[40]. Ugo Volli ging immerhin auf die Sympathien ein, die Jörg Haider bei den italienischen Lega-Nord-AnhängerInnen genießt: „[…] Heider [sic] […] der unseren leghisti so gefällt [...]“[41]. Der Rest der Kritiken bzw. Ankündigungen jedoch erwähnte den Italienbezug nicht, sondern beschränkte sich vielmehr auf den Hinweis, dass das Stück Jörg Haider gelte.[42] In diesem Bezug gerne erwähnt wurde zudem das von Jelinek verhängte Aufführungsverbot für Österreich.
Im Sommer desselben Jahres hätte die Inszenierung im Rahmen des Theaterfestivals in Cividale gezeigt werden sollen, die Aufführung wurde aber abgelehnt. Werner Waas bringt diese „Zensur“ der Festivaldirektion mit dem für jene Tage erwarteten politischen Besuch Jörg Haiders in Cividale in Verbindung, den man nicht habe irritieren wollen.[43] Abgesehen von mehreren Gastspielen war L’addio später gemeinsam mit Werner Waas’ zweiter Jelinek-Inszenierung La morte e la fanciulla IV / Jackie zu sehen, nämlich im Rahmen des MittelFest in Cividale 2005 sowie am Teatro CRT Milano im Jahr 2006. Anlässlich der Präsentation des Stücks im Jahr 2005 publizierte die Repubblica ein Interview mit Elfriede Jelinek, das dezidiert nach deren Einschätzung der italienischen Rechten fragte. Jelinek antwortete darauf wie folgt:
Ich halte sie [die italienische Rechte, Anm. d. Verf.] für gefährlich. Berlusconi hat mithilfe seines privaten Medienimperiums eine Bilderwelt konstruiert, deren Bilder unschuldig anmuten, jedoch das Denken behindern. Ich misstraue Gesellschaften, die wenig lesen und lediglich Bilder fixieren, was im Übrigen in den Ländern, in denen der islamische Extremismus vorherrscht, passiert. Allgemein macht mir diese konservative Welle Angst, die immer weiter vorrückt […].[44]
Fremdbildverifizierungen anhand der Reaktionen auf den Nobelpreis
An dieser Stelle sei kurz zurückgeblickt: ein Jahr zuvor, 2004, hatte Elfriede Jelinek den Nobelpreis für Literatur erhalten und damit weltweit polarisiert. Wie aber fassten Italiens Medien diese Auszeichnung auf?[45] Giulio Schiavoni betonte für Il Manifesto die Auffassung, wonach der Preis als politisches Zeichen zu werten sei, indem er an eine Schriftstellerin verliehen worden wäre, die sich dem Kampf gegen Haider bzw. gegen die Xenophobie verschreiben würde, welche sich in Österreich im Vormarsch befände.[46] Das konservative Blatt Corriere della Sera erachtete die Entscheidung der Stockholmer Jury als Provokation, die an die Vergabe des Preises an Dario Fo erinnern würde. Rezensentin Bossi Fedrigotti las den Preis als Schlag ins Gesicht der österreichischen Mitte-Rechts-Regierung. Sie nutzte die Gelegenheit für eine Rekonstruktion des österreichischen Stigmatisierungsprozesses in Bezug auf Jelinek, indem sie nicht nur auf Jörg Haiders Hetzkampagne, sondern auch auf die damit verbundene Rolle der Kronen Zeitung einging. Werk- bzw. Sprachanalysen sind hier nicht zu finden. Ebenso wenig ging Polese Ranieri in seinem Interview mit Jelinek anlässlich der Nobelpreisverleihung auf das Urteil der Jury ein, die bekanntlich „den musikalischen Fluss von Stimmen und Gegenstimmen“[47] bei Jelinek sowie die „sprachliche Leidenschaft“[48], von der ihre Texte geprägt seien, hervorgehoben hatte. Vielmehr nahm auch er die Preisverleihung als Anlass, die Österreichkritik Jelineks ins Zentrum zu stellen bzw. zu hinterfragen. Der emblematische Titel des Interviews zitiert Jelinek und stellt sie in den Kontext anderer österreichischer „NestbeschmutzerInnen“: Ich protestiere gegen mein Land wie Bernhard und Bachmann[49]. Auf die Frage, was denn passiert sei mit dem heutigen Österreich, antwortete Jelinek:
Mit der Mitte-rechts-Koalition hat sich ein Bruch ergeben, der sich nicht hätte ergeben dürfen. Diese Spaltung hat einen regelrechten zivilen Rückschritt bewirkt. Tatsächlich sind Personen in die Regierung eingezogen, die sich nicht nur in keiner Weise von der SS distanzieren, sondern dieser auch noch in aller Öffentlichkeit huldigen. Das ist absolut inakzeptabel. Es ist ein Tabu gebrochen worden, an dem nicht hätte gerüttelt werden dürfen.[50]
Auch die weiter links angesiedelte Tageszeitung La Repubblica beschränkte sich darauf, Jelineks schriftstellerisches Schaffen als Antwort auf ein Österreich zu sehen, „wo diese kleinbürgerlichen Moralvorstellungen und diese gottgegebene heilige Allianz von Heimat und Tourismus weiterhin fortbestehen – allen Kämpfen zum Trotz, die Bernhard und vor ihm bereits Kraus ausgetragen haben.“[51]
Luigi Reitani räumte der Österreichkritik Jelineks ebenfalls viel Platz in seinem Porträt ein, das er anlässlich der Nobelreisvergabe für die Tageszeitung L’Unità verfasste – wenngleich er es als Germanist freilich nicht verabsäumte, die sprachliche Komponente ihres Werks zu beleuchten bzw. die Traditionslinie von Karl Kraus, Ludwig Wittgenstein, der Wiener Gruppe und Thomas Bernhards nachzuzeichnen.[52]
Auf die Klischee-entlarvende Funktion der Texte Jelineks ging Panzeri Di Fulvio ein, indem er zu bedenken gab: „Die Jelinek hat immer ein entweihendes Bild Österreichs gezeichnet, indem sie nicht ein ,Land der Musik und der Lipizzaner‘, sondern eine Gesellschaft gesehen hat, in der die Menschenrechte mehr und mehr bedroht sind und in der gefährliche neonazistische Tendenzen heranwachsen.“[53]
Unmittelbar nach der Nobelpreis-Verleihung bemerkte Vanna Vannuccini in einem Interview mit Jelinek: „Ihre Bücher [...] sind sehr an Österreich gebunden. Lederhosen, Lodenmäntel, vergewaltigte Schifahrerinnen. Manch einer behauptet: zu viel Provinz, um ein breites internationales Publikum anzusprechen...“.[54] Jelinek antwortete darauf:
Ich habe in einem Interview gesagt, meine Literatur sei provinziell, und natürlich werden meine Worte jetzt wieder hergenommen, in Umlauf gebracht, falsch zitiert. Ich habe das in einem anderen Sinn gesagt. Das, was es an „Lokalem“ in meinen Werken gibt, ist nicht ausschlaggebend. Das Problem findet sich vor allem in meiner Art, mit der Sprache umzugehen, in dem, was ich Komposition nenne, als würde es sich dabei um eine Partitur handeln. Ich spiele mit Klängen, Tönen, mit der Phonetik, ganz zu schweigen von Wortspielen und Kalauern. In diesem Sinn ist meine Literatur „lokal“: weil es schwierig ist, sie zu übersetzen.[55]
Jelinek als Korrespondentin eines „Austria infelix“
Die These, wonach es in erster Linie Jelineks politische Polemik ist, die in Italien wahrgenommen wird, lässt sich anhand ihrer szenischen Rezeption verifizieren: So folgte auf Waas’ L’addio mit der Erstaufführung der Erlkönigin, die 2005 von Lorenzo Fontana in Angriff genommen wurde, ein Stück, das die ungenügend erfolgte Vergangenheitsbewältigung Österreichs bzw. die Mythisierung einer, mit dem NS-Regime kokettiert und kollaboriert habenden SchauspielerInnendynastie demaskiert. Einmal mehr jedoch wurde auch hier von der Regie (Lorenzo Fontana) die Auffassung unterstrichen, dass der Text zwar Österreich kritisiere, zugleich aber auch die politische Macht dessen thematisiere, der die Medien in der Hand habe – Fontana spielt hier ganz offensichtlich auf Silvio Berlusconi an.[56] Der Tatsache, dass Paula Wessely als „Ikone des österreichischen Opportunismus‘“ in Italien kaum bekannt war bzw. ist, versuchte Fontana zu begegnen, indem er die historisch-kulturellen Bezüge außer Acht ließ und aus der österreichischen Schauspielerin die Figuration einer universalen Diva machte: Darstellerin Roberta Cortese zitierte sowohl Gloria Swansons Interpretation in Sunset Boulvard als auch den Blauen Engel Marlene Dietrichs. Durchaus die Heimatkritik Jelineks rezipierte man jedoch auf musikalischer und kulinarischer Ebene. So wurden nicht nur Griesnockerln auf der Bühne zubereitet (und an Zuschauer ausgegeben), sondern auch musikalische Nummern gespielt, die laut Cortese den Alltag Österreichs perfekt widerspiegeln würden[57]: ein Dudler, Strauß’ Frühlingsstimmenwalzer und eine Passage aus der Fledermaus.
Ein weiteres Stück, das am politischen Tabu der verdrängten Vergangenheit rüttelt, wurde 2006 mit Nuvole. Casa von Maria Inversi zur italienischen Erstaufführung gebracht. Die Premiere war am Teatro Comunale di Magliano Sabina, mehrere Gastspiele folgten. Inversi gibt an, gemeinsam mit der Cellistin Giovanna Famulari sowie der bildenden Künstlerin Tommasina Squadrito einen sich über ein Jahr erstreckenden dramaturgischen Prozess durchlebt zu haben. Das Mitdenken der eigenen Herkunft bzw. der sozial- und kulturpolitischen Situation des Ziellandes erschienen dabei, wie Inversi in ihren Regiebemerkungen anklingen lässt, unabdingbar. Wenngleich sie einen subjektiven Zugang zum Werk Jelineks als sehr wichtig erachtete:
Im Antwortprozess auf die mannigfachen Fragen, hervorgerufen von den mannigfachen Leseversuchen des Textes, bildete sich mein künstlerisch-szenisches Projekt heraus, das unmöglich auf die Einbeziehung meiner italienischen Herkunft und des Publikums, an das ich mich wenden würde, nicht Bedacht nehmen konnte. […] Ich ging von mir selbst aus, von meinem Sein, mehr noch als von mir als Künstlerin von mir als Frau mit meiner Subjektivität und Sensibilität […].[58]
In den Kontext der Inszenierung gestellt wurde ein Video-Interview, das die Germanistin Renata Caruzzi mit Elfriede Jelinek geführt hatte und welches den in Italien vorherrschenden Ruf der wütenden Skandalautorin zu relativieren in der Lage zu sein schien, wie Roberto Canzianis Reaktion in der Zeitung Il Piccolo belegt: „Großzügig, aufgeräumt, klar verständlich – kurz, das exakte Gegenteil des Bildes, das von ihr gezeichnet wurde, nämlich das der wütenden, verschlossenen Skandalautorin […]“[59].
In den letzten Jahren kann beobachtet werden, dass Jelinek in den italienischen Medien mit Vorliebe dann herangezogen wird, wenn es darum geht, ein Bild des „Austria infelix“ zu zeichnen. So verwies etwa der Corriere della Sera anlässlich des Todes Jörg Haiders auf Jelineks Essay Von Ewigkeit zu Ewigkeit, der darauf Bezug nimmt.[60] Die Repubblica erwirkte 2009 die Rechte für den Text Im Verlassenen[61], den Jelinek anlässlich des Falls Fritzl verfasst hatte. Im Jahr zuvor hatte bereits Jelineks Bezugnahme auf Josef Fritzl im Internet-Roman Neid Aufsehen erregt. So löste etwa Vito Punzi eine lebhafte Debatte aus, indem er in der Tageszeitung Avvenire anmerkte:
Es ist alles andere als eine objektive Verarbeitung, was die Österreicherin da hervorgebracht hat, die grundsätzlich nicht das Böse hinterfragt, sondern es vielmehr vorzieht, in den trüben Wassern der Morbidität zu planschen. […] die Jelinek hegt keinen Zweifel: etwas so Furchtbares konnte nirgendwo anders stattfinden, als im katholischen Österreich. […] So sind sie, die Christen, im Speziellen die österreichischen Christen, so die viel zu kurz gefasste Conclusio der Jelinek.[62]
Wenn es zu Berichterstattungen über Jelinek-Aufführungen im (deutschsprachigen) Ausland kommt, dann vorrangig zu Stücken, die eine dezidierte Kritik an Österreich und dessen tabuisierter Vergangenheit implizieren – sowohl das Gastspiel von Rechnitz (Der Würgeengel) in der Regie von Jossi Wieler im Rahmen der Wiener Festwochen 2010 als auch die österreichische Erstaufführung des nämlichen Stücks, für die Michael Simons 2012 am Schauspielhaus Graz verantwortlich zeichnete, polarisierten in Italien.[63]
Wird zwar das „Nestbeschmutzertum“ Jelineks vereinzelt in Frage gestellt[64], so kann doch resümierend konstatiert werden, dass ihre Kritik am österreichischen Staat bzw. einer „österreichischen Mentalität“ in Italien tendenziell nicht als Tabubruch rezipiert wurde und wird, sondern vielmehr als Bestätigung von konstruierten Fremdbildern fungiert. So gesehen kann bestätigt werden, was Gerhard Fuchs in einem Email-Interview mit Elfriede Jelinek bereits 1998 bemerkte: „Spott oder Hass ernten Sie [Elfriede Jelinek, Anm. d. Verf.] im Inland doch eher für die politischen Aussagen als Realperson, im Ausland werden diese dann häufig zustimmend als Ist-Beschreibung österreichischer Zustände zitiert […].“[65]
28.11.2013
Silke Felber Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft sowie der Romanistik an der Universität Wien und der Università di Bologna. Mehrjährige Tätigkeit als Veranstaltungsorganisatorin am KosmosTheater Wien sowie als Dramaturgin für diverse Theater- und Tanzproduktionen. Seit 2009 Lehrbeauftragte am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien. 2013 Promotion zur Dr. phil. mit einer Arbeit über die szenische Rezeption österreichischer Gegenwartsdramatik in Italien am Beispiel Thomas Bernhards. Hauptsächliche Forschungsinteressen: österreichisches Gegenwartstheater, Interkulturalität, Gender. Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsplattform Elfriede Jelinek. Texte - Kontexte - Rezeption.
Anmerkungen
Im Hinblick darauf, dass es sich bei der zu erwartenden LeserInnenschaft nicht vorrangig um RomanistInnen handelt, wurde die zitierte italienische Literatur von der Verfasserin ins Deutsche übersetzt.
[1] Lamendola, Francesco: E’ onesto ‚sporcare il proprio nido‘? Il caso di Elfriede Jelinek. http://www.ariannaeditrice.it/articolo.php?id_articolo=39332 (15.10.2013), datiert mit 29.6.2011.
[2] Vgl.: Janke, Pia (Hg.): Die Nestbeschmutzerin. Jelinek & Österreich. Salzburg: Jung und Jung 2002, S. 171.
[3] Pelinka, Anton: Tabus in der Politik. Zur politischen Funktion von Tabuisierung und Enttabuisierung. In: Bettelheim, Peter / Streibel, Robert (Hg.): Tabu und Geschichte. Zur Kultur des kollektiven Erinnerns. Wien: Picus Verlag 1994, S. 21-28, S. 21.
[4] Mitscherlich, Alexander / Mitscherlich, Margarete: Die Unfähigkeit zu trauern. Grundlagen kollektiven Verhaltens. München: Piper 1967, S. 111.
[5] Ara, Angelo: Italien und Österreich (1861-1918): eine Erbfeindschaft und eine Vernunftehe. In: Reitani, Luigi (Hg.): Italia-Österreich: Sprache, Literatur, Kultur. Udine: Forum 2006, S. 23-34, S. 24.
[6] Ebd., S. 24.
[7] Vgl.: Malfèr, Stefan: Un programma escluso oppure prolungato? Pregiudizi tra Austria e Italia negli anni Venti. In: Dacrema, Nicoletta (Hg.): Felix Austria Italia infelix? Tre secoli di relazioni culturali italo-austriache. Roma: Aracne 2004, S. 125-142, S. 131-132.
[8] Vgl.: Wandruszka, Adam: Zwischen den Weltkriegen. In: Furlani, Silvio / Wandruszka, Adam (Hg.): Österreich und Italien: ein bilaterales Geschichtsbuch. Wien: Jugend und Volk 1973, S. 237-255, S. 253.
[9] Ebd., S. 254.
[10] Berghold, Joe. Italien-Austria. Von der Erbfeindschaft zur europäischen Öffnung. Wien: Werner Eichbauer Verlag 1997, S. 123.
[11] Diese Tatsache spielt insofern eine Rolle, als der für das größte erinnerte Massaker unter der SS verantwortliche Sturmbannführer Walter Reder gebürtiger Österreicher war. Die Rede ist hier von den Vorfällen in Marzabotto zwischen 29.9. und 5.10.1944, bei denen mehrere hundert Kinder, Frauen und Greise niedergemetzelt wurden. Walter Reder wurde 1951 vom Militärgericht Bologna zu lebenslänglicher Haft in Italien verurteilt, was jedoch durch die ihm im Rahmen des Staatsvertrags von 1955 wieder verliehene österreichische Staatsbürgerschaft und die darauf folgenden jahrelangen Bemühungen Österreichs für eine Rehabilitierung Reders vereitelt werden konnte. Als ob dies nicht genug gewesen wäre, kam es 1985 zu einem schändlichen Höhepunkt, als der damalige freiheitliche Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager Reder persönlich am Flughafen und mit Handschlag empfing.
[12] Vgl. z.B.: Michal, Alexandra: Typisch österreichisch? Eine motivationsanalytische Überprüfung nationaler Stereotypen hinsichtlich Leistungs- und Machteinstellung in Österreich, Deutschland und Italien. Frankfurt am Main: Lang 2007, S. 31.
[13] Schininà, Alessandra: Zur Rezeption österreichischer Literatur in Italien in den letzten Jahren. In: Arlt, Herbert / Belobratow, Alexandr W. (Hg.): Interkulturelle Erforschung der österreichischen Literatur. St. Ingberg: Röhrig Universitätsverlag 2000, S. 355-365, S. 355.
[14] Vgl.: Magris, Claudio. Il mito absburgico nella letteratura austriaca moderna. Torino: Einaudi 1963.
[15] Vgl.: Bürger, Michaela: Mythenbildung und Entzauberung. In: Arlt, Herbert / Belobratow, Alexandr W. (Hg.): Interkulturelle Erforschung der österreichischen Literatur, S. 366-382, S. 378.
[16] Cazzola, Roberto / Rusconi, Gian Enrico (Hg.): Il ‚caso Austria‘. Dall’ ‚Anschluss‘ all’era Waldheim. Torino: Einaudi 1988.
[17] Vgl.: Haas, Franz: In Italien. In: Haas, Franz / Schlösser, Hermann / Zeyringer, Klaus (Hg.): Blicke von außen. Österreichische Literatur im internationalen Kontext. Innsbruck: Haymon-Verlag 2003, S. 144-182, S. 151.
[18] Baget Bozzo, Gianni: Waldheim e Wojtyla. In: La Repubblica, 29.6.1988, Ü: Silke Felber.
[19] Vgl.: Jelinek, Elfriede. La voglia. (Lust.) Ü: Rossana Sarchielli. Milano: Frassinelli 1990.
[20] Vgl.: Jelinek, Elfriede. La pianista. (Die Klavierspielerin.) Ü: Rossana Sarchielli. Torino: Einaudi 1991.
[21] Vgl.: Reitani, Luigi: Im Anfang war die Lust… Zur Rezeption Elfriede Jelineks in Italien. In: Bartens, Daniela / Pechmann, Paul (Hg.): Elfriede Jelinek. Die internationale Rezeption. Graz: Droschl 1997, S. 52-74.
[22] Moser, Angelika: Elfriede Jelinek: Übersetzerische Rezeption in Italien. In: Pöckl, Wolfgang (Hg.): Im Brennpunkt: Literaturübersetzung. Frankfurt am Main: Lang 2008 (= Forum Translationswissenschaft 8), S. 151-205, S. 157.
[23] Jelinek, Elfriede: Nuvole. Casa. (Wolken.Heim.) Ü: Luigi Reitani. Mailand: SE 1990, Buchrücken, Ü: Silke Felber.
[24] N. N.: Bestseller. In: La Repubblica, 5.5.1990.
[25] Jelinek, Elfriede: Germanesimo come metafora. Colloquio con Elfriede Jelinek. In: Jelinek, Elfriede: Nuvole. Casa. (Wolken.Heim.) Ü: Luigi Reitani. Milano: SE 1990, S. 53-60, S. 56, Ü: Silke Felber.
[26] Jelinek, Elfriede: Infelix Austria. In: La Repubblica, 14.11.1991.
[27] Vgl.: Janke, Pia: Werkverzeichnis Elfriede Jelinek. Wien: Praesens 2004, S. 264.
[28] Vgl.: Clar, Peter: Elfriede Jelinek und Österreich. In: Clar, Peter / Schenkermayr, Christian: Theatrale Grenzgänge. Jelineks Theatertexte in Europa. Wien: Praesens Verlag 2008 (= DISKURSE.KONTEXTE.IMPULSE. Publikationen des Elfriede Jelinek-Forschungszentrums 4), S. 223-240, S. 223-224.
[29] Lamendola, Francesco: E’ onesto ‚sporcare il proprio nido‘? Il caso di Elfriede Jelinek.
[30] Vgl.: Felber, Silke: Zur szenischen Rezeption österreichischer Gegenwartsdramatik in Italien am Beispiel Thomas Bernhards. Wien, Diss. 2013.
[31] Morass, Michael / Pallaver, Günther: Erbfeindschaft, Entfremdung, Beziehungskonjunktur – oder schlicht: Gleichgültigkeit? Ein Resümee der italienisch-österreichischen Beziehungen. In: Morass, Michael / Pallaver, Günther (Hg.): Österreich-Italien. Was Nachbarn voneinander wissen sollten. Wien: Deuticke 1992, S. 245-265, S. 254-255.
[32] Vgl. z.B.: Bossi Fedrigotti, Isabella: Jelinek, danza macabra per i miti austriaci. In: Corriere della Sera, 9.12.1995 oder Gnoli, Antonio: E Toscani gridò: Beati gli orfani. In: La Repubblica, 13.10.1995.
[33] Bossi Fedrigotti, Isabella: Jelinek, danza macabra per i miti austriaci. Ü: Silke Felber.
[34] Vgl.: Bossi Fedrigotti, Isabella: Austria maledetta bordello d’Europa. In: Corriere della Sera, 7.12.1996.
[35] Vgl.: Bossi Fedrigotti, Isabella: Caccia alla scrittrice dello scandolo. In: Corriere della Sera, 27.2.1998.
[36] Vgl.: Ebd.
[37] Del Corona, Marco: Attenti alla destra simpatica. In: Corriere della Sera, 20.2.2000, Ü: Silke Felber.
[38] Waas, Werner: Selbstbefragung zu Elfriede Jelinek in Italien. In: Secci, Lia (Hg.): Il teatro di Elfriede Jelinek in Italia. Rom: Aracne 2011, S. 121-137, S. 128-129.
[39] Schenkermayr, Christian: Rechtspopulistische Tendezen in Österreich und Europa am Beispiel mehrerer Inszenierungen von Elfriede Jelineks ‚Das Lebewohl‘. In: Clar, Peter / Schenkermayr, Christian: Theatrale Grenzgänge. Jelineks Theatertexte in Europa, S. 241-257, S. 244.
[40] Gregori, Maria Grazia: Ad ognuno il suo Haider personale. In: L’Unità, 2.10.2001, Ü: Silke Felber.
[41] Volli, Ugo: Al Litta arriva il finto Heider [sic] e al Palavobis c´è molta Fura. In: La Repubblica, 30.9.2001, Ü: Silke Felber.
[42] Vgl. z.B. N. N.: ‚L’addio‘ della viennese Jelinek, un demagogo parla ai suoi seguaci. In: Corriere della Sera, 12.5.2001; Naldi, Paola: Le fiabe di ascanio. In: La Repubblica, 3.8.2002; N. N.: Arte e cultura a San Valentino. Werner Waas alle manifatture con lo spettacolo. In: La Repubblica, 14.2.2008.
[43] Vgl.: Waas, Werner: Selbstbefragung zu Elfriede Jelinek in Italien. In: Secci, Lia (Hg.): Il teatro di Elfriede Jelinek in Italia, S. 128-129, S. 130.
[44] Bandettini, Anna: Jelinek: il mio teatro politico da Hitler a Jackie Kennedy. In: La Repubblica, 21.7.2005, Ü: Silke Felber.
[45] Für eine Dokumentation der italienischen Medienreaktionen auf die Nobelpreisvergabe vgl.: Janke, Pia: Literaturnobelpreis Elfriede Jelinek. Wien: Praesens Verlag 2005 (=DISKURSE.KONTEXTE.IMPULSE. Publikationen des Elfriede Jelinek-Forschungszentrums 1), S. 64-70; für eine umfassendere Analyse vgl.: Moser, Angelika: Elfriede Jelinek: Übersetzerische Rezeption in Italien. In: Pöckl, Wolfgang (Hg.): Im Brennpunkt: Literaturübersetzung. Frankfurt am Main: Lang 2008 (= Forum Translationswissenschaft 8), S. 151-205, S. 167-174.
[46] Vgl.: Schiavoni, Giulio: Il posto della letteratura tra la violenza e il potere. In: Il Manifesto, 8.10.2004.
[47] Svenska Akademien: Der Nobelpreis in Literatur des Jahres 2004 - Pressemitteilung. http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/literature/laureates/2004/press-d.html (15.11.2013), datiert mit 7.10.2004.
[48] Ebd.
[49] Ranieri, Polese: Contesto il mio Paese come Bernhard e la Bachmann. In: Corriere della Sera, 8.10.2004, Ü: Silke Felber.
[50] Ebd.
[51] Sorge, Paola: Una radicale arrabbiata sul trono di Stoccolma. In: La Repubblica, 8.10.2004, Ü: Silke Felber.
[52] Vgl.: Reitani, Luigi: Il controcanto di Elfriede. In: L’Unità, 8.10.2004.
[53] Fulvio, Panzeri Di: Jelinek, Nobel fra polemiche. In: Agorà, 8.10.2004, Ü: Silke Felber.
[54] Vannuccini, Vanna: La sindrome di Stoccolma. In: La Repubblica, 6.12.2004, Ü: Silke Felber.
[55] Ebd.
[56] Vgl.: Cortese, Roberta: Per una doppia interpretazione del testo. In: Secci, Lia (Hg.): Il teatro di Elfriede Jelinek in Italia, S. 35-54, S. 45.
[57] Vgl.: Ebd, S. 47.
[58] Inversi, Maria: Nuvole. Casa. (Wolken.Heim.). Regiebemerkungen. Ü: Wilhelm Pfeistlinger. In: Clar, Peter / Schenkermayr, Christian: Theatrale Grenzgänge. Jelineks Theatertexte in Europa, S. 353-358, S. 355.
[59] Canziani, Roberto: Jelinek, né arrabbiata né scandalista. In: Il Piccolo, 21.3.2007, Ü: Silke Felber.
[60] Vgl.: Gergolet, Mara: La Jelinek ricorda Haider ‚il Redentore‘. In: Il Corriere della Sera, 24.10.2008.
[61] Vgl.: Jelinek, Elfriede: Quel padre-dio che ha chiuso l’Austria in cantina. Übersetzung: Franziska Dörr Syllabos. In: La Repubblica, 19.3.2009.
[62] Punzi, Vito: Jelinek, cattolicesimo sotto accusa. In: Avvenire, 3.6.2008, Ü: Silke Felber.
[63] Vgl. z.B.: Bossi Fedrigotti, Isabella: La mia penna contro l´Austria. In: Corriere della Sera, 20.5.2010 oder: Blas, Marco Di: Va in scena a Graz il massacro di Rechnitz. diblas-udine.blogautore.repubblica.it/2012/03/31/va-in-scena-a-graz-il-massacro-di-rechnitz/ (7.11.2013).
[64] Vgl.: Lamendola, Francesco: E’ onesto ‚sporcare il proprio nido‘? Il caso di Elfriede Jelinek.
[65] Fuchs, Gerhard: ,Man steigt vorne hinein und hinten kommt man faschiert und in eine Wursthaut gefüllt wieder raus.‘ Ein Email-Austausch. In: Bartens, Daniela / Pechmann, Paul (Hg.): Elfriede Jelinek. Die internationale Rezeption, S. 9-25, S. 17.
ZITIERWEISE
Felber, Silke: „E’ onesto ,sporcare il proprio nido’?“ Zur Wahrnehmung der Österreichkritik Jelineks in Italien. https://jelinektabu.univie.ac.at/sanktion/stigmatisierung/silke-felber/ (Datum der Einsichtnahme) (= TABU: Bruch. Überschreitungen von Künstlerinnen. Interkulturelles Wissenschaftsportal der Forschungsplattform Elfriede Jelinek).
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