Täterinnen und Opfer
Das Forschungsfeld „Täterinnen und Opfer“ wird von unterschiedlichen Positionen und mitunter sogar von Tabubrüchen innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses bestimmt. So wird die Rolle der Frau im Nationalsozialismus in frühen feministischen Studien vornehmlich auf jene des Opfers reduziert.[1] Erste wissenschaftliche Untersuchungen der deutschsprachigen Frauenforschung zur Mittäterschaft der Frau entstanden erst Anfang der 1980er Jahre.[2] In der Geschichtswissenschaft hingegen bzw. in der neueren Täterforschung, die sich als Subdisziplin in den 1990er Jahren entwickelte, spricht man heute wie selbstverständlich von „Tätern“ und „Täterinnen“: „Letztlich erwies sich keine Alterskohorte und keine soziale Formation gegenüber den NS-Verbrechen als immun. Dies gilt auch für das Geschlecht, auch wenn die Zahl der Täterinnen – verglichen mit der riesigen Mehrheit männlicher Täter – sehr gering blieb“[3], konstatierte Frank Bahor.Dieser Bereich untersucht die Darstellung der Frau in Jelineks Texten vor dem Hintergrund von deren potenzieller Mittäterschaft. Im Gegensatz zu den in den 1970er und 1980er Jahren vorherrschenden feministischen Tendenzen kommt der Frau in Jelineks Werk von Beginn an nicht nur die Rolle des Opfers, sondern auch jene der Kollaborateurin bzw. Komplizin zu. In Bezug auf den Nationalsozialismus sei hier auf ihren Theatertext Burgtheater (1985) verwiesen, der Jelineks Ruf als „Nestbeschmutzerin“ begründete, und auf Erlkögin (2001). Beide Texte thematisieren anhand der Schauspielerin Paula Wessely den Opportunismus und die unzulängliche Reflexion des NS-Regimes und sprechen Frauen ihren ausschließlichen Opferstatus ab. Inwiefern diese Darstellungen, aber auch jene anderer Autorinnen, Tabu brechend wirken, wurde in diesem Bereich analysiert
[1] Vgl.: Radonic, Ljiljana: Die friedfertige Antisemitin? Kritische Theorie über Geschlechterverhältnis und Antisemitismus. Frankfurt am Main: Lang 2004.
[2] Vgl. z.B: Thürmer-Rohr, Christina: Aus der Täuschung in die Ent-Täuschung. Zur Mittäterschaft von Frauen. In: Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis 8 (1983), S. 11-25.
[3] Bahor, Frank: Neuere Täterforschung. http://docupedia.de/docupedia/images/5/51/Neuere_Taeterforschung.pdf (15.10.2013), datiert mit 18.6.2013, S. 6.
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Elfriede Jelinek
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