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Forschungsfeld Tabu

Die Tabuforschung, die nicht auf eine einzige Fachrichtung festzulegen ist, sondern auf Interdisziplinarität basiert, bezieht sich auf einen Begriff, der erst spät in Europas Sprachsysteme integriert wurde: James Cook (1728-1779) brachte das aus dem Polynesischen stammende Wort „Tabu“ (tapu) Ende des 18. Jahrhunderts von einer Südseereise nach Großbritannien mit. Ursprünglich bezeichnete der Begriff Tabu etwas Verbotenes, da in den Besitz der Herrschenden Fallendes. W. Robertson Smith weitete ihn auf religiöse Vorschriften im Islam und Judentum aus[1], wodurch er, wie Wolfgang Braungart konstatierte, „zu einem Schlüsselbegriff von Ethnologie, Religionswissenschaften und Kulturanthropologie“[2] avancierte. Eine für das 20. Jahrhundert prägende Auseinandersetzung mit der Tabu-Thematik stellt die 1912/13 entstandene Abhandlung Totem und Tabu[3] von Sigmund Freud dar, auf die seither zahlreiche wissenschaftliche Auseinandersetzungen rekurrieren. Freud erarbeitete seine anthropologisch-psychoanalytisch motivierte Studie anhand von ethnologischem Material und beschrieb das Tötungs- sowie das Inzesttabu als Grundvoraussetzung von Kultur überhaupt.

Ebenso wie Tabus selbst sich in einem Wandlungsprozess befinden, entwickelt sich auch die Tabuforschung kontinuierlich weiter. Dieser Bereich stellte die Frage nach dem aktuellen Stand der Forschung(en) und nach Forschungsdesideraten. Vor allem wurde darauf eingegangen, dass es sich hierbei um ein Wissensfeld handelt, das auf disziplinenübergreifende Forschungscluster angewiesen ist. So präsentierte der Bereich nicht nur kultursemiotische Überlegungen zum Tabubegriff, sondern beleuchtete ihn auch aus psychoanalytischer Sicht. Die Erkenntnisse dieses Bereichs dienten wiederum als Basis für die Analysen zu Tabu & Geschlecht und, in weiterer Folge, zu Tabu & Geschlecht & Kunst.

[1] Vgl.: Lehmann, Rudolf: Die polynesischen Tabusitten. Eine ethno-soziologische und religionswissenschaftliche Untersuchung. Leipzig: R. Voigtländer 1930.

[2] Braungart, Wolfgang: Anmerkungen zum Tabu „ästhetischer Affirmation“. In: Braungart, Wolfgang / Ridder, Klaus / Apel, Friedmar (Hg.): Wahrnehmen und handeln. Perspektiven einer Literaturanthropologie. Bielefeld: Aisthesis Verlag 2004, S. 297-327, S. 300.

[3] Vgl.: Freud, Sigmund: Totem und Tabu. Einige Übereinstimmungen im Seelenleben der Wilden und der Neurotiker. Hg. v. Hugo Heller. Wien: Hugo Heller 1913.


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